Montag, 22. November 2010

Osttirol Adventures: die Iselschlucht

Zwischen Umzugs-, Uniabschluss-, Reise- und diversen anderen Stressen kam es bei mir in der letzten Zeit zu einer eineinhalbjährigen Osttirolpause. Eigentlich eine Schande, verbrachte ich zuvor doch fast sieben Sommer in diesem erstklassigen Wildwasserrevier rund um Lienz.

So kam es mir sehr gelegen, als ich Reiner Glanz am Dienstagnachmittag durchs Handy fragen hörte: »Was machst Du am Donnerstag? Iselschlucht?«. Schwer abzulehnen, stand der eher selten befahrene Abschnitt unterhalb der klassischen Hinteren Isel (Hinterbichl bis Bobojach, WW 3-4+) doch schon länger auf meiner Wunschliste. Spätestens seit Hannes Brandstätter die Iselschlucht zu seinem Osttiroler Favoriten gekürt hatte.

Der Großvenediger wacht überm Einstieg

Die große Rutsche vom Schluchtrand aus gesehen

David Krismayr und Robert Machacek erwarteten uns bereits hochmotiviert am Ausstieg und berichteten uns von eisigen Temperaturen am Einstieg. Tatsächlich, Raureif und Schnee empfangen uns in Bobojach an der Brücke. Also schnell Boote abladen und lieber auf der sonnigen Virgener Schotterstraße umziehen! Beim rechtsufrigen Hochfahren ließen sich die meisten Schwierigkeiten mit ein wenig Gekletter problemlos scouten. Lediglich von der vorletzten und gleichzeitig spektakulärsten Stelle sollte man sich nicht wie wir täuschen lassen.

oben: Blue Angel in der Eingangsstufe zur Niedrigklamm

unten: Dave in selbiger


Robert beim Abseilen neben der potenziellen 6er Stelle

Die Strecke präsentierte sich dann als ebenso kurz, wie lohnend und spannend. Nach nur kurzer Zeit zum Einfahren folgte der Auftakt, eine etwa eineinhalb Meter hohe Stufe mit tricky Einfahrt, und boofen möchte man am liebsten schon. Danach schneidet sich die Isel ihren Weg durch eine Niederklamm mit etlichen technischen und schnellen Stellen im vierten und fünften Grad. Bald hieß es dann aufgepasst – ein komplett verklauster Wasserfall zwang uns aus den Booten und zum rechtsufrigen Umseilen. Zum Glück hatten wir alle Sitzgurte und volle Alpinausrüstung dabei, was uns die Sache mit Ausnahme des eher fragwürdigen ersten Sicherungsplatzes recht stressfrei erledigen ließ. Gleich darauf folgte der nächste Umseiler einer eher kurz gehaltenen Diskussion – der Landweg wurde einhellig bevorzugt. Also – noch wartet eine recht unsaubere Doppelstufe mit einem wohl sieben Meter hohen Ausgangswasserfall (mit recht harter Landung) auf ihren Erstbefahrer!



Robert, Daniel & Dave in der großen Rutsche

Zwei flotte Passagen weiter folgte das große Finale – eine holprige Einfahrt und dann eine Rutsche mit ungefähr zehn Metern Gefälle, gute vier Meter davon im Freiflug! Doch Achtung – was aus 100 Höhenmetern scoutbar aussah, stellte sich auf Wasserhöhe als absolute Zwangspassage ohne Besichtigungsmöglichkeit heraus. Ein paar Blicke auf das beim Scouten geschossene Telefoto später, fasste sich Reiner ein Herz und fuhr als erster ein - und ließ uns beinahe erstarren. Die rumplige Einfahrt schickte ihn nach fast erfolgreichem Kampf doch glatt kieloben runter! Bange Sekunden, dann Erleichterung bei uns oben – zwar baumelte die Helmkamera nur mehr an der Reepschnur, aber das ist jetzt nebensächlich. Hauptsache Reiners rechte Hand ist am Helm. Mit mulmigem Gefühl fuhren wir der Reihe nach in die Stelle ein – zum Glück ohne Zwischenfälle, dafür mit breitem Grinsen nach dem Einschlag. Kleiner Tipp: ganz rechts einfahren, an der Abrisskante mittig links und dann entweder ganz (!) nach links, oder – besser und einfacher – nach rechts raus.

endlich etwas Sonne in der sonst eher dunklen,

herbstlichen Schlucht.

Wäre die nächste und letzte Stelle vernünftig umhebbar, würde man außer Rückenschmerzen wohl nicht viel versäumen. Doch so blieb uns nichts anderes übrig, als bootsverachtend die insgesamt ungefähr vier Meter hohe, seichte Doppelstufe runterzubomben – recht so!

Home, Sweet Home - Herbstzeit - Kayaking the Isel gorge/Osttirol from Reiner Glanz on Vimeo.

Am Ausstieg angekommen, ging es nach Genießen der letzten Sonnenstrahlen für Robert und Dave jobbedingt wieder nach Salzburg. Reiner und ich beschlossen, noch einen Tag länger zu bleiben, um am nächsten Tag die super Strecke nochmal zu paddeln. Ein schneller Run zu zweit ohne große Zwischenfälle und einer angenehmen Ladung Adrenalin. Gut, zugegebenermaßen nicht ganz ohne Zwischenfälle: Bleibt man bei der Abschlussrutsche zentral, wartet ein recht fetter, angewinkelter Kicker auf den Befahrer – ganz rumgekriegt hab ich den unfreiwilligen Kickflip nicht. Also, aufgepasst!

Streckeninfo:

Länge: ca. 3 Kilometer (Bobojach bis Brücke in Virgen, ca. 1 Kilometer oberhalb des Einstiegs zur Virgenschlucht)
Beste Befahrungszeit: Spätsommer und Herbst
Pegel: bei uns 75cm am Pegel Hinterbichl (gut für den ersten Versuch)
Schwierigkeiten: WW (4)-5, zweimal X (einmal davon WW 6?), mindestens einmal umseilen

Text: Daniel Herzig

Fotos: Daniel Herzig, Robert Machacek, Dave Krismayr





Montag, 8. November 2010

Green Race 2010

Das Green Race 2010 ist zu Ende und damit eine besonders ereignisreiche Etappe unserer Reise mit Hoehen und Tiefen, aber vor allem einer Menge Paddelei sowie dem kultigsten Wildwasserrennen der Welt als kroenenden Abschluss. Aber langsam der Reihe nach…

Seit 1996 findet jaehrlich immer am ersten Samstag im November das Green Race in den Green River Narrows suedlich von Asheville statt. Dabei handelt es sich um das vielleicht bekannteste und am meisten respektierteste Wildwasserrennen der Kajakwelt. Einzigartig am Green ist zunaechst einmal die Wettkampfstrecke. Auf gut einer halben Meile komprimiert reihen sich in der engen Schlucht etwa 15 beruechtigte Rapids bis zum V. Schwierigkeitsgrad mit markanten Namen wie “Boof or Consequence”, “Go Left and Die” oder “Gorilla” aneinander.

Adrienne, Marianne und ich unterhalb Gorilla, Foto: Mike Dawson
Auf Grund der grossen Popularitaet weit ueber die Grenzen der Paddlerszene hinaus finden sich am Tag des Rennens gleich hunderte Schaulustige an den spektakulaersten Stellen der Strecke ein und so sorgt auch die gewaltige Atmosphaere der Zuschauer fuer das besondere Flair des Green Race.

Green Race als beliebtes Zuschauerspektakel

Dennoch ist das Rennen seiner Tradition treu geblieben und nicht zum kommerziellen Grossevent anvanciert. Ohne glamouroese Sponsoren, Preisgelder oder Startgebuehren lebt es gaenzlich vom Spirit gleichgesinnter Paddler, die gemeinsam eine einzigartige Zusammenkunft auf dem Fluss und der Party danach zelebrieren.

Blick ins Tal des Green River

Gut eine Woche vor besagtem Rennsamstag zieht der Ruf des Green Race Anne und mich nach Flat Rock zu Shane Benedict. Seines Zeichens Paddlerlegende, Mitgruender von Liquid Logic Kayaks sowie Green Urgestein kommen wir zusammen mit 10 weiteren Kajakfahrern aus aller Welt in seinem Haus in der Naehe des Einstiegs zu den Green Narrows unter.

Team Shanes Haus Clay, Marianne, Nick, Dane, Adrienne, Keagan, Anne, Katerina, Kyle, Mike und ich

Die geringe Entfernung sowie die Tatsache, dass ausser dem dammregulierten Green gerade eh nichts anderes laeuft, laesst uns jeden Tag aufs neue auf die Rennstrecke gehen um nach der schnellsten Linie zu suchen und diese einzutrainieren. Traumhafte Wetterbedingungen, die gute Stimmung in der kunterbunten Shane WG und immer geschmeidigere Befahrungen des Green sorgen fuer Vorfreude auf das Rennen.

Doch dann passiert es: Anne hat bei ihrem ersten Versuch der schnelleren aber kniffligeren Rennlinie in “Go Left” einen harten Schwimmer, der sich bei uns allen tief einpraegt. Von diesem Zeitpunkt an schraubt sie die Prioritaet des Rennens zurueck und entscheidet sich letztendlich sogar gegen eine Teilnahme.

Fuer den Rest der Crew geht das Training aber stetig weiter. Einen guten Eindruck von der Stimmung im “Team Shane” gibts hier: http://www.kayaksession.com/green-river-race-1.php

Tips und Tricks fuer die schnellsten Linien in den markantesten Rapids gibts hier:



Zwei Tag vor dem grossen Showdown findet sich die Paddelgemeinde zu einer Video Premiere von LVM (Launch Video Magazine) ein. Bei Pizza, Bier und Pop Corn gibt es den neuesten Klatsch und Tratsch der Szene sowie sehenswerte Filmausschnitte in Kinoatmosphaere. Hier gibts Eindruecke zur Stimmung auf der Premiere: http://www.kayaksession.com/green-river-race-4.php

Dazu das lustige “Green River Narrows Kayak Extreme Race“ Intro von LVM:

http://www.xtranormal.com/watch/7511043/


Schliesslich ist es endlich soweit. Am Samstag den 6. November treffen sich 140 Starter zum Briefing am Einstieg zur Schlucht. Punkt 12 Uhr Mittags faellt dann der Startschuss erst fuer Teilnehmer in der Longboat, anschliessend fuer die in der Shortboat Klasse.

Zusammenkunft vor dem Rennen

Wave Sport Element, ein typisches Longboat

Waehrend mit “Shortboat” gewoehnliche Creekboote gemeint sind, bezieht sich “Longboat” auf Plastikkajaks mit bis zu 4 Metern Laenge, die speziell fuer hohe Geschwindigkeit im schweren Wildwasser ausgelegt sind. Populaere Vertreter sind etwa der Wave Sport Momentum, Dagger Green, Liquid Logic Stinger oder Prijon Tornado. Da ich selbst nur mit meinem Diesel und damit einem Shortboat angereist bin stehe ich ganz hinten in der Startreihenfolge. So kann ich mir erst einmal den Rennverlauf ansehen, bevor es dann fuer mich ernst wird.

Handpaddler in der Anfahrt zu Gorilla

Besonders in den klassischen Kriterien wie Go Left und Gorilla gibt es dabei allerhand spektakulaere Szenen zu beobachten. Gebrochene Paddel, mehrere Schwimmer und eine aufgeschlagene Augenbraue sind zu beklagen.

Longboater in Scream Machine

Ungeachtet dessen kann ich mich gut auf meinen Lauf konzentrieren und meine Linie bis auf einen kleinen Patzer im Kehrwasser von “Speed Trap” umsetzen. Unmittelbar vor Gorilla komme ich sogar an den 1 Minute vor mir gestarteten Paddler heran. In der Anfahrt zum Wasserfall kentert er hinter der Eingangsstufe von “Flying Squirrel” und so kann ich problemlos an ihm vorbei ziehen und ungehindert in die “Notch” boofen.

Seppi beim Boof in Gorilla

Mit schweren Armen und rasender Atmung geht es ueber die letzten Rutschen hinab bis zum Zielfelsen hinter “Rapid Transit”. Die Zeitnahme stoppt bei 5:05. Geschafft!

Longboater beim Zielsprint hinter Rapid Transit

Das zweite Highlight des Tages ist schliesslich die grosse Party in Woodys Haus am Ausstieg der Schlucht. Hier werden auch die Ergebnisse des Tages verkuendet. Sieger in der Longboat Klasse wird souveraen der Slalomprofi Mike Dawson aus Neuseeland, bei den Damen Adrienne Levknecht, beide mit im Team in Shanes Haus. In der Shortboat Kategorie gewinnt Green Local Isaac Levinson. Ich selbst komme auf die gleiche Zeit wie drei andere Mitbewohner von unserer Shane WG und so teilen wir uns gemeinsam den 4. Platz. Hier der Link zu den gesamten Ergebnissen: http://www.boatingbeta.com/races

Die wilde Party bei Woody dauert noch bis spaet in die Nacht an. Fuer Anne und mich heisst es am naechsten Tag dann schon wieder Koffer packen. Denn mit dem Green Race endet auch unser US Trip. Weiter geht es nun mit Mexiko als zweite Etappe unserer grossen Reise. Und wir sind gespannt, was und dort erwarten wird…

Bildert: Mike Dawson, Seppi Strohmeier