Dienstag, 28. Dezember 2010

Merry Christmas

Robert und ich wünschen dem Team-Stohlquist (leicht verspätet) ein frohes Fest und einen guten Rutsch.

Montag, 27. Dezember 2010

Chile die erste: im Puta-Mobil nach Pucon

Autokauf in einem fremden Land? Klar, das ist nicht so einfach. Schließlich gibt es dort andere Regelungen und Vorschriften als daheim. Trotzdem wollten wir für die lange Zeit in Chile keinen Mietwagen zu horrenden Preisen sondern ein eigenes Fahrzeug erwerben und dieses nach den 3 Monaten wieder höchstbietend verkaufen.

Wirklich dankbar waren daher Anne und ich, dass Maxi Siech, unser neues Teammitglied für Chile, schon 5 Tage vor unserer Abreise aus Mexiko nach Santiago geflogen kam, um sich mit seinem chilenischen Kumpel Luis nach Gebrauchtwägen umzusehen. Die Entscheidung fiel zugunsten eines höhergelegten Nissan Pick-Up Trucks in Feuerwehr-rot aus - Baujahr 1988, was wir später noch bereuen sollten. Als Anne und ich in Santiago eintrafen, musste also nur noch gezahlt werden. In bar natürlich - mit dicken Bündeln chilenischer Pesos.

Als glückliche Fahrzeugbesitzer die wir nun waren machten wir uns natürlich sofort auf zu einer Testfahrt, warfen Kajaks und Gepäck auf die Ladefläche und tuckerten los zum Río Maipo und Yeso im Südosten Santiagos. Aber die Spritztour war ernüchternd, zeigten sich doch schon bald die ersten Probleme unseres Gefährts. Vor allem der Motor war bei steileren Anstiegen etwas zu schwach für das schwere Gewicht des Autos und unseres Gepäcks. Außerdem überhitzte das Motoöl wegen unzureichender Luftzufuhr schon nach 5 minütiger Bergfahrt. Also nichts wie zurück nach Santiago, wo das Auto von Migue, einem befreundeten Mechaniker, erstmal rundum gepimpt wurde: Ölwechsel, Zündkerzen, Luftfilter, Platine, Fernlicht, Servolenkung und mehr Luft für Motorraum und Kühlwasser. Solz auf unser upgrade tauften wir das Auto „Puta-Mobil“, ein Name, der sich schon bald bewahrheiten sollte.

Als viertes und letztes Teammitglied für die nächsten Wochen in Chile traf gegen Mitternacht Alex Rodegro am Flughafen ein. Dieser hatte die volle Ladung Pech bereits mitgebracht: Schneechaos beim Abflug in Düsseldorf, Fluglotsenstreik in Madrid und abhanden gekommenes Gepäck in Santiago. In der Hoffnung, dass die Fluggesellschaft dieses umgehend nachsenden würde, machten wir uns trotzdem auf den Weg nach Süden. Nächster Halt: Rio Claro.

In einer unheimlich engen und steilen Klamm bahnt sich der Claro seinen Weg durch schwarzes Vulkangestein und ergießt sich über unzählige Rutschen und Wasserfälle, die sich auf die Abschnitte „Veintidos Saltos“, „Entre Saltos“ und „Siete Tazas“ verteilen. Ein ganzes Jahr lang aufgrund eines Erdbeebens trocken gelegt, führte der Río Claro seit kurzem wieder Wasser und bescherte uns ein Paddelhighlight der Extraklasse. Das Sahnehäubchen dabei war der Korkenzieher ín Entre Saltos, wo das Wasser in einer rasanten Bobbahn erst um eine 180° Kurve schießt und dann in einen 8 Meter Fall mündet. Der Clou: man kann nicht sehen, was nach der Kuve kommt, nicht umtragen oder sichern. Wer sich einmal hinein gewagt hat, für den gibt es nur noch die blinde Flucht nach vorne.

Während der Claro unsere Paddlerherzen höher schlagen ließ, so ließ er das Herz unseres Autos niedriger schlagen. Genauer gesagt: durch die rumpelige Fahrt über steinige Dirtroads löste sich die Schraube der Motoraufhängung unseres Gefährts und der Motor rutschte ab bis auf die Vorderachse. Dummerweise war gerade chilenischer Feiertag. Wir verbrachten also ganze zwei Tage mit warten. Auf den Abschleppwagen, auf den Mechaniker und auf Ali's Gepäck, das die Fluggesellschaft nach mehrmaliger vehementer Aufforderung erst jetzt schicken ließ. Müde von der Warterei dösten Anne und Maxi stundenlang regungslos im Liegestuhl am Straßenrand und erwachten schließlich wie zwei knallrote Tomaten :).

Gutgelaunt da jetzt alles wieder im Lot schien machten wir uns auf zum Río Maule. Trotz Starkregen tags zuvor herrschte allerdings Niedrigwasser und mit Paddeln wurd es erstmal nichts. Dafür begann der Wagen urplötzlich, auf der Autobahn zu streiken. Mit Müh und Not schafften wir es zur Ausfahrt um wieder einmal stundenlang auf den Mechaniker zu warten. Der entdeckte erst abends, dass die Benzinzufuhr zum Motor verunreinigt war, blies sie frei und wünschte uns eine gute Fahrt. Doch diese währte nicht lange. Nach weniger als 100km begann der Wagen erneut zu stottern. Wir parkten auf dem Seitenstreifen und riefen den nächsten Abschleppwagen. Langsam machte das Auto keinen Spaß mehr.

Erst nach Mitternacht kamen wir zu unserem nächsten Mechaniker in Parral. Mit seinem Mini Daihatsu, in dem seine korpulente Figur selbst kaum Platz fand, schleppte er unseren riesen Pick-Up zu seiner Werkstatt. Nach der kurzen Nacht, die wir in seinem Vorgarten verbrachten, stand wieder eine rundum Reparatur an: Benzinzufuhr reinigen, Benzinfilter austauschen, Auspuff festschrauben, dazu wieder mal an Servolenkung und Platine herumdoktern. Wir hatten unser Auto satt, verzichteten auf die restlichen Flüssen die den Weg nach Süden säumten und machten uns schnurstracks auf nach Pucón.

So mühsam die Fahrt nach Pucón auch war, schon bei unserer Ankunft wurde klar, dass sie sich vielfacht gelohnt hat. Man stelle sich einen unheimlich schönen Ort vor, überall saftig grüne Wiesen und Wälder, rauschende Flüsse voll mit Wildwasser, umgeben von schneebedeckten Vulkanen und tiefblauen Seen. Dazu warmes Wetter, fast jeden Tag Sonne pur. Inmitten des ganzen ein kleines Städtchen. Gerde groß genug für Outdoor Laden, Internet Cafe, Baumarkt und einen Haufen Restaurants und Bars. Aber so klein, dass man zu Fuß in wenigen Minuten von einem Ortsrand zum anderen marschieren kann. Und überall Kajakfahrer – alte und neue Freunde. Der Grund: es gibt in der näheren Umgebung dermaßen viel gutes Wildwasser, dass man in den 2-3 Wochen, in denen hier gute Wasserstände herrschen, gar nicht alles abpaddeln kann, was Pucón an Potential bietet.

Untergekommen sind wir in einem 75 Hektar Anwesen etwa 20 Minuten ausserhalb von Pucón unweit des Río Trancura. Maxi hatte die letzten Jahre im Crazy Eddy und der Area 47 als Raftguide gearbeitet. Dessen Mitinhaber und Manager Hansi Neuner hatte ihm erlaubt, während unserer Zeit in Pucón in seinem Haus zu bleiben. Um dorthin zu kommen mussten wir erst eine steile Dirtroad bergauf durch sein Grundstück fahren, vorbei an Pferden, einer kleinen Kuhherde und durch dichten Wald bis wir oben zu einer weiten Almwiese gelangten, die genau gegenüber des Lago Villarica und Volcán Villarica liegt.

In Chile gibt es 2000 Vulkane, viele zum Teil noch aktiv. Der Villarica ist 2800m hoch und in den 70er Jahren das letzte Mal ausgebrochen. Aber unter tags raucht er ein bisschen und des nachts sieht man ein leichtes Glühen an seiner Spitze.

Die folgenden zwei Wochen verbrachten wir also in Pucón, jeden Tag unterwegs auf neuen Flüssen und Abschnitten. Vor allem die Wasserfallruns des Río Palguin, Llancahue, Nevado und Coilaco zählen hier zum schönsten Wildwasser weit und breit.

Den wohl größten Höhepunkt unseres Aufenthalts stellte aber die Befahrung des 23 Meter Drops am Mittleren Palguin dar. Nach dem Felsenstart in einen pilzigen Tumpf geht es hier unmittelbar über die schräge Abbruchkante und hinab in einen großen Pool. Sowohl Alex, Maxi und ich entschieden uns, das Paddel vor dem Aufprall zu werfen um ja kein gebrochenes Material zu riskieren.

Gebrochenes Material gab es dafür wieder beim Auto. Die Wasserpumpe war völlig am Ende und musste ausgetauscht werden. Außerdem fielen uns neue Schleifgeräusche im Bereich des Getriebes auf. Wir zögerten nicht lang und machten uns auf die Suche nach einem Mietwagen. Der Frust mit dem Pick-Up war nun so groß, dass wir selbst vor den teuren Tarifen der chilenischen Autoverleiher nicht mehr zurück schreckten. Vor der Abreise aus Pucón wollten wir aber auch unser Gefährt verhökern. Doch noch bevor ein Käufer gefunden werden konnte machte die Lenkung schlapp und das Puta-Mobil musste ein weiteres Mal auf unsere Kosten zum Mechaniker. Wir waren hemmungslos am fluchen. Puta madre!

Als der Autodeal endlich unter Dach und Fach war und der Dezember sich dem Ende zu neigte musste auch Alex wieder zurück zu Arbeit und Freundin. Anne, Maxi und ich verabschiedeten uns herzlich von ihm, bevor er in den Nachtbus gen Norden nach Santiago stieg.

Doch auch für uns drei ist es nun Zeit aufzubrechen. Die Wasserstände um Pucón sind gesunken und weitere Flüsse im Süden Chiles und Argentiniens warten auf uns. Zwei Monate bleiben uns noch. Patagonien, wir kommen!

Bericht: Seppi Strohmeier
Bilder: Seppi Strohmeier, Maxi Siech

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Viva Mexico!

Es ist bereits seit 2 Stunden dunkel als endlich das erste Schild nach Tlapacoyan am Straßenrand auftaucht. Und schon wieder wird unser Auto von einer mächtigen Bodenwelle durchgeschüttelt, die erst im letzten Moment im Lichtkegel auftaucht. Pirmin flucht lauthalt und bastelt den herausgefallenen Regler für die Innenbelüftung wieder in die marode Halterung zurück. Beim Blick aus dem Fenster flitzen dutzende Straßenstände voller Nahrungsmittel an uns vorbei. Wir erspähen Berge von Bananen und Mandarinen, am Feuer gegrillte Hähnchen und natürlich Tacos, Tortillas und Enchiladas. Dann endlich, nach 5 langen Stunden auf schlechten Straßen voll mit Schlaglöchern, kommen wir am nächsten Ziel unserer Reise an: dem Aventurec Camp im Westen von Mexiko.



Vor allem in der US amerikanischen Paddelszene häufen sich seit einigen Jahren Bilder und Berichte von traumhaften Flüssen in Mexiko. Besonders in den Monaten Oktober bis Dezember versprechen die ablaufenden Wasserstände der Regenzeit des Sommers perfekte Bedingungen für Wildwasserunternehmungen in allen Schwierigkeitsgraden und so fällt die Wahl unserer nächsten Reiseetappe nicht schwer. Zusammen mit Mike Dawson und Mariann Seather fliegen Anne und ich direkt nach dem Green Race von Charlotte nach Mexico City, wo wir auf Mikes Bruder James, den Norweger Benji Hort und Pirmin, einen jungen Paddler vom Schliersee, treffen. Zu siebt machen wir uns auf zum Rio Alseseca im Staate Veracruz, auf der Suche nach dem schönsten Wildwasser der Region.






Obgleich die klassische "Roadside Section" des Alseseca schon seit fast 20 Jahren bekannt und bepaddelt ist, so wurden die schwerer zugänglichen und steileren Abschnitte erst in der jüngsten Vergangenheit entdeckt. Besonders Lokalmatador Rafa Ortiz und Freunde haben ganze Arbeit geleistet um dem Alseseca die letzten Geheimnisse zu entlocken (zu sehen auf dem Video Hotel Charly II). Die Früchte dieser Erkundungsexpedition sind weltklasse Wildwasserabschnitte mit Namen wi Big Banana, Truchas oder 7 Sisters. Doch ganz gleich auf welchen Teil des des Alseseca man sich wagt, alle haben sie doch eines gemeinsam: Wasserfälle, Rutschen und Stufen noch und nöcher. Teils klein, teils groß, meist völlig sauber und immer mit großem Pool im Anschluß - das lässt Paddlerherzen höher schlagen.








Dazu kommt, dass sich der Alseseca vornehmlich tief in einer malerischen Schlucht vergraben und von dichtem Regenwald umgeben seinen Weg sucht. Tropische Vögel kreisen hier über unseren Köpfen, Lianen hängen bis in Wasser herab und Zuckerrohrplantagen, Cypressen, Bananen- oder Mandarinenbäume säumen das Ufer am Ausstieg.






Ausserdem hat der Fluss Badewassertemperatur und die lange Kleidung dient eigentlich nur dem Schutz vor Juckreiz verursachenden Pflanzen beim Besichtigen oder Umtragen im Dickicht. Einzig die schlechte Wasserqualität trübt den Spaß ein wenig und so wartet nach jeder Kajakfahrt die obligatorische Flasche Tequila zur Magendesinfektion am Austieg.
In den ersten 10 Tagen paddeln wir nicht nur auf dem Alseseca, sondern wir erkunden auch einen Nebenbach namens Filo Bobos. Auf dessen unteren Teil befinden sich zwei antique Ruinenstädte der Maya unmittelbar am Ufer, die in den 80er Jahren von einer Gruppe amerikanischer Rafter entdeckt wurden.



Jeden Abend ziehen uns die knurrenden Mägen zurück nach Tlapacoyan, wo wir ein kleines Straßenrestaurant nach dem anderen ausprobieren, immer auf der Suche nach den besten Tacos der Stadt. Genächtigt wird im Aventurec am Ortsrand, einem paddlerfreundlichen Campingplatz, Restaurant und Raftunternehmen in einem.





Unsere täglichen Kajakausflüge haben es zum Teil durchaus in sich. Der Alseseca fordert von uns zahlreiche gebrochene Paddel, mehrere harmlose Schwimmer sowie eine gebrochene Nase. Auf dem Weg zum Fluss bekommen wir es mit der launischen mexikanischen Polizei zu tun und unser Mietwagen beugt sich schließlich den Strapazen und muss durch ein neueres Modell ersetzt werden.



Nach anderthalb Wochen Sonnenschein setzt plötzlich wolkenbruchartiges Regenwetter ein. Wir beschließen, den Hochwasser führenden Alseseca vorrübergehend hinter uns zu lassen um noch andere Gegenden in Mexiko kennen zu lernen. In der Region San Luis Potosí im Norden erkunden wir die kristallklaren Kaskaden des Rio Valles und der Minas Viejas. An der Coasta Esmeralda am Golf von Mexiko verbringen wir einen Tag am Strand und Swimmingpool.







Für die restlichen 3 Tage zieht es uns dann nach Tlapacoyan zurück. Und die haben es in sich. Denn die knifflichsten Stellen haben wir uns für das finale grande aufgehoben:
Den Bukaki Rapid, eine Kombination aus einer Rutsche mit dicken Prallpolstern, einer rückläufigen Stufe und 7 Meter Fall im Ausgang.



Den San Pedro Wasserfall - eine 15 Meter Park and Huck Stufe am Rio Jalacingo.



Die Tomata Falls - einen 23 Meter Wasserfall mit Potential zum Postkartenmotiv.



Gestoked von diesen Highlights und begeistert von Mexiko als Paradies für Wildwasserfahrer machen wir uns wieder einmal ans Koffer packen. Während es für Pirmin zurück ins verschneite Deutschland geht haben Anne und ich noch 3 Monate Chile und Argentinien vor uns. Und so stopfen wir unsere Boote und Taschen in den Mietwagen und starten die Rückfahrt nach Mexico City. 5 Stunden auf rumpeligen Straßen mit Schlaglöchern liegen nun noch vor uns. Pirmin grinst und zuckt mit den Achseln. Lächerlich, bedenkt man doch, welche Erlebnisse dafür hinter uns liegen.