Montag, 27. Dezember 2010

Chile die erste: im Puta-Mobil nach Pucon

Autokauf in einem fremden Land? Klar, das ist nicht so einfach. Schließlich gibt es dort andere Regelungen und Vorschriften als daheim. Trotzdem wollten wir für die lange Zeit in Chile keinen Mietwagen zu horrenden Preisen sondern ein eigenes Fahrzeug erwerben und dieses nach den 3 Monaten wieder höchstbietend verkaufen.

Wirklich dankbar waren daher Anne und ich, dass Maxi Siech, unser neues Teammitglied für Chile, schon 5 Tage vor unserer Abreise aus Mexiko nach Santiago geflogen kam, um sich mit seinem chilenischen Kumpel Luis nach Gebrauchtwägen umzusehen. Die Entscheidung fiel zugunsten eines höhergelegten Nissan Pick-Up Trucks in Feuerwehr-rot aus - Baujahr 1988, was wir später noch bereuen sollten. Als Anne und ich in Santiago eintrafen, musste also nur noch gezahlt werden. In bar natürlich - mit dicken Bündeln chilenischer Pesos.

Als glückliche Fahrzeugbesitzer die wir nun waren machten wir uns natürlich sofort auf zu einer Testfahrt, warfen Kajaks und Gepäck auf die Ladefläche und tuckerten los zum Río Maipo und Yeso im Südosten Santiagos. Aber die Spritztour war ernüchternd, zeigten sich doch schon bald die ersten Probleme unseres Gefährts. Vor allem der Motor war bei steileren Anstiegen etwas zu schwach für das schwere Gewicht des Autos und unseres Gepäcks. Außerdem überhitzte das Motoöl wegen unzureichender Luftzufuhr schon nach 5 minütiger Bergfahrt. Also nichts wie zurück nach Santiago, wo das Auto von Migue, einem befreundeten Mechaniker, erstmal rundum gepimpt wurde: Ölwechsel, Zündkerzen, Luftfilter, Platine, Fernlicht, Servolenkung und mehr Luft für Motorraum und Kühlwasser. Solz auf unser upgrade tauften wir das Auto „Puta-Mobil“, ein Name, der sich schon bald bewahrheiten sollte.

Als viertes und letztes Teammitglied für die nächsten Wochen in Chile traf gegen Mitternacht Alex Rodegro am Flughafen ein. Dieser hatte die volle Ladung Pech bereits mitgebracht: Schneechaos beim Abflug in Düsseldorf, Fluglotsenstreik in Madrid und abhanden gekommenes Gepäck in Santiago. In der Hoffnung, dass die Fluggesellschaft dieses umgehend nachsenden würde, machten wir uns trotzdem auf den Weg nach Süden. Nächster Halt: Rio Claro.

In einer unheimlich engen und steilen Klamm bahnt sich der Claro seinen Weg durch schwarzes Vulkangestein und ergießt sich über unzählige Rutschen und Wasserfälle, die sich auf die Abschnitte „Veintidos Saltos“, „Entre Saltos“ und „Siete Tazas“ verteilen. Ein ganzes Jahr lang aufgrund eines Erdbeebens trocken gelegt, führte der Río Claro seit kurzem wieder Wasser und bescherte uns ein Paddelhighlight der Extraklasse. Das Sahnehäubchen dabei war der Korkenzieher ín Entre Saltos, wo das Wasser in einer rasanten Bobbahn erst um eine 180° Kurve schießt und dann in einen 8 Meter Fall mündet. Der Clou: man kann nicht sehen, was nach der Kuve kommt, nicht umtragen oder sichern. Wer sich einmal hinein gewagt hat, für den gibt es nur noch die blinde Flucht nach vorne.

Während der Claro unsere Paddlerherzen höher schlagen ließ, so ließ er das Herz unseres Autos niedriger schlagen. Genauer gesagt: durch die rumpelige Fahrt über steinige Dirtroads löste sich die Schraube der Motoraufhängung unseres Gefährts und der Motor rutschte ab bis auf die Vorderachse. Dummerweise war gerade chilenischer Feiertag. Wir verbrachten also ganze zwei Tage mit warten. Auf den Abschleppwagen, auf den Mechaniker und auf Ali's Gepäck, das die Fluggesellschaft nach mehrmaliger vehementer Aufforderung erst jetzt schicken ließ. Müde von der Warterei dösten Anne und Maxi stundenlang regungslos im Liegestuhl am Straßenrand und erwachten schließlich wie zwei knallrote Tomaten :).

Gutgelaunt da jetzt alles wieder im Lot schien machten wir uns auf zum Río Maule. Trotz Starkregen tags zuvor herrschte allerdings Niedrigwasser und mit Paddeln wurd es erstmal nichts. Dafür begann der Wagen urplötzlich, auf der Autobahn zu streiken. Mit Müh und Not schafften wir es zur Ausfahrt um wieder einmal stundenlang auf den Mechaniker zu warten. Der entdeckte erst abends, dass die Benzinzufuhr zum Motor verunreinigt war, blies sie frei und wünschte uns eine gute Fahrt. Doch diese währte nicht lange. Nach weniger als 100km begann der Wagen erneut zu stottern. Wir parkten auf dem Seitenstreifen und riefen den nächsten Abschleppwagen. Langsam machte das Auto keinen Spaß mehr.

Erst nach Mitternacht kamen wir zu unserem nächsten Mechaniker in Parral. Mit seinem Mini Daihatsu, in dem seine korpulente Figur selbst kaum Platz fand, schleppte er unseren riesen Pick-Up zu seiner Werkstatt. Nach der kurzen Nacht, die wir in seinem Vorgarten verbrachten, stand wieder eine rundum Reparatur an: Benzinzufuhr reinigen, Benzinfilter austauschen, Auspuff festschrauben, dazu wieder mal an Servolenkung und Platine herumdoktern. Wir hatten unser Auto satt, verzichteten auf die restlichen Flüssen die den Weg nach Süden säumten und machten uns schnurstracks auf nach Pucón.

So mühsam die Fahrt nach Pucón auch war, schon bei unserer Ankunft wurde klar, dass sie sich vielfacht gelohnt hat. Man stelle sich einen unheimlich schönen Ort vor, überall saftig grüne Wiesen und Wälder, rauschende Flüsse voll mit Wildwasser, umgeben von schneebedeckten Vulkanen und tiefblauen Seen. Dazu warmes Wetter, fast jeden Tag Sonne pur. Inmitten des ganzen ein kleines Städtchen. Gerde groß genug für Outdoor Laden, Internet Cafe, Baumarkt und einen Haufen Restaurants und Bars. Aber so klein, dass man zu Fuß in wenigen Minuten von einem Ortsrand zum anderen marschieren kann. Und überall Kajakfahrer – alte und neue Freunde. Der Grund: es gibt in der näheren Umgebung dermaßen viel gutes Wildwasser, dass man in den 2-3 Wochen, in denen hier gute Wasserstände herrschen, gar nicht alles abpaddeln kann, was Pucón an Potential bietet.

Untergekommen sind wir in einem 75 Hektar Anwesen etwa 20 Minuten ausserhalb von Pucón unweit des Río Trancura. Maxi hatte die letzten Jahre im Crazy Eddy und der Area 47 als Raftguide gearbeitet. Dessen Mitinhaber und Manager Hansi Neuner hatte ihm erlaubt, während unserer Zeit in Pucón in seinem Haus zu bleiben. Um dorthin zu kommen mussten wir erst eine steile Dirtroad bergauf durch sein Grundstück fahren, vorbei an Pferden, einer kleinen Kuhherde und durch dichten Wald bis wir oben zu einer weiten Almwiese gelangten, die genau gegenüber des Lago Villarica und Volcán Villarica liegt.

In Chile gibt es 2000 Vulkane, viele zum Teil noch aktiv. Der Villarica ist 2800m hoch und in den 70er Jahren das letzte Mal ausgebrochen. Aber unter tags raucht er ein bisschen und des nachts sieht man ein leichtes Glühen an seiner Spitze.

Die folgenden zwei Wochen verbrachten wir also in Pucón, jeden Tag unterwegs auf neuen Flüssen und Abschnitten. Vor allem die Wasserfallruns des Río Palguin, Llancahue, Nevado und Coilaco zählen hier zum schönsten Wildwasser weit und breit.

Den wohl größten Höhepunkt unseres Aufenthalts stellte aber die Befahrung des 23 Meter Drops am Mittleren Palguin dar. Nach dem Felsenstart in einen pilzigen Tumpf geht es hier unmittelbar über die schräge Abbruchkante und hinab in einen großen Pool. Sowohl Alex, Maxi und ich entschieden uns, das Paddel vor dem Aufprall zu werfen um ja kein gebrochenes Material zu riskieren.

Gebrochenes Material gab es dafür wieder beim Auto. Die Wasserpumpe war völlig am Ende und musste ausgetauscht werden. Außerdem fielen uns neue Schleifgeräusche im Bereich des Getriebes auf. Wir zögerten nicht lang und machten uns auf die Suche nach einem Mietwagen. Der Frust mit dem Pick-Up war nun so groß, dass wir selbst vor den teuren Tarifen der chilenischen Autoverleiher nicht mehr zurück schreckten. Vor der Abreise aus Pucón wollten wir aber auch unser Gefährt verhökern. Doch noch bevor ein Käufer gefunden werden konnte machte die Lenkung schlapp und das Puta-Mobil musste ein weiteres Mal auf unsere Kosten zum Mechaniker. Wir waren hemmungslos am fluchen. Puta madre!

Als der Autodeal endlich unter Dach und Fach war und der Dezember sich dem Ende zu neigte musste auch Alex wieder zurück zu Arbeit und Freundin. Anne, Maxi und ich verabschiedeten uns herzlich von ihm, bevor er in den Nachtbus gen Norden nach Santiago stieg.

Doch auch für uns drei ist es nun Zeit aufzubrechen. Die Wasserstände um Pucón sind gesunken und weitere Flüsse im Süden Chiles und Argentiniens warten auf uns. Zwei Monate bleiben uns noch. Patagonien, wir kommen!

Bericht: Seppi Strohmeier
Bilder: Seppi Strohmeier, Maxi Siech

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