Donnerstag, 2. Dezember 2010

Viva Mexico!

Es ist bereits seit 2 Stunden dunkel als endlich das erste Schild nach Tlapacoyan am Straßenrand auftaucht. Und schon wieder wird unser Auto von einer mächtigen Bodenwelle durchgeschüttelt, die erst im letzten Moment im Lichtkegel auftaucht. Pirmin flucht lauthalt und bastelt den herausgefallenen Regler für die Innenbelüftung wieder in die marode Halterung zurück. Beim Blick aus dem Fenster flitzen dutzende Straßenstände voller Nahrungsmittel an uns vorbei. Wir erspähen Berge von Bananen und Mandarinen, am Feuer gegrillte Hähnchen und natürlich Tacos, Tortillas und Enchiladas. Dann endlich, nach 5 langen Stunden auf schlechten Straßen voll mit Schlaglöchern, kommen wir am nächsten Ziel unserer Reise an: dem Aventurec Camp im Westen von Mexiko.



Vor allem in der US amerikanischen Paddelszene häufen sich seit einigen Jahren Bilder und Berichte von traumhaften Flüssen in Mexiko. Besonders in den Monaten Oktober bis Dezember versprechen die ablaufenden Wasserstände der Regenzeit des Sommers perfekte Bedingungen für Wildwasserunternehmungen in allen Schwierigkeitsgraden und so fällt die Wahl unserer nächsten Reiseetappe nicht schwer. Zusammen mit Mike Dawson und Mariann Seather fliegen Anne und ich direkt nach dem Green Race von Charlotte nach Mexico City, wo wir auf Mikes Bruder James, den Norweger Benji Hort und Pirmin, einen jungen Paddler vom Schliersee, treffen. Zu siebt machen wir uns auf zum Rio Alseseca im Staate Veracruz, auf der Suche nach dem schönsten Wildwasser der Region.






Obgleich die klassische "Roadside Section" des Alseseca schon seit fast 20 Jahren bekannt und bepaddelt ist, so wurden die schwerer zugänglichen und steileren Abschnitte erst in der jüngsten Vergangenheit entdeckt. Besonders Lokalmatador Rafa Ortiz und Freunde haben ganze Arbeit geleistet um dem Alseseca die letzten Geheimnisse zu entlocken (zu sehen auf dem Video Hotel Charly II). Die Früchte dieser Erkundungsexpedition sind weltklasse Wildwasserabschnitte mit Namen wi Big Banana, Truchas oder 7 Sisters. Doch ganz gleich auf welchen Teil des des Alseseca man sich wagt, alle haben sie doch eines gemeinsam: Wasserfälle, Rutschen und Stufen noch und nöcher. Teils klein, teils groß, meist völlig sauber und immer mit großem Pool im Anschluß - das lässt Paddlerherzen höher schlagen.








Dazu kommt, dass sich der Alseseca vornehmlich tief in einer malerischen Schlucht vergraben und von dichtem Regenwald umgeben seinen Weg sucht. Tropische Vögel kreisen hier über unseren Köpfen, Lianen hängen bis in Wasser herab und Zuckerrohrplantagen, Cypressen, Bananen- oder Mandarinenbäume säumen das Ufer am Ausstieg.






Ausserdem hat der Fluss Badewassertemperatur und die lange Kleidung dient eigentlich nur dem Schutz vor Juckreiz verursachenden Pflanzen beim Besichtigen oder Umtragen im Dickicht. Einzig die schlechte Wasserqualität trübt den Spaß ein wenig und so wartet nach jeder Kajakfahrt die obligatorische Flasche Tequila zur Magendesinfektion am Austieg.
In den ersten 10 Tagen paddeln wir nicht nur auf dem Alseseca, sondern wir erkunden auch einen Nebenbach namens Filo Bobos. Auf dessen unteren Teil befinden sich zwei antique Ruinenstädte der Maya unmittelbar am Ufer, die in den 80er Jahren von einer Gruppe amerikanischer Rafter entdeckt wurden.



Jeden Abend ziehen uns die knurrenden Mägen zurück nach Tlapacoyan, wo wir ein kleines Straßenrestaurant nach dem anderen ausprobieren, immer auf der Suche nach den besten Tacos der Stadt. Genächtigt wird im Aventurec am Ortsrand, einem paddlerfreundlichen Campingplatz, Restaurant und Raftunternehmen in einem.





Unsere täglichen Kajakausflüge haben es zum Teil durchaus in sich. Der Alseseca fordert von uns zahlreiche gebrochene Paddel, mehrere harmlose Schwimmer sowie eine gebrochene Nase. Auf dem Weg zum Fluss bekommen wir es mit der launischen mexikanischen Polizei zu tun und unser Mietwagen beugt sich schließlich den Strapazen und muss durch ein neueres Modell ersetzt werden.



Nach anderthalb Wochen Sonnenschein setzt plötzlich wolkenbruchartiges Regenwetter ein. Wir beschließen, den Hochwasser führenden Alseseca vorrübergehend hinter uns zu lassen um noch andere Gegenden in Mexiko kennen zu lernen. In der Region San Luis Potosí im Norden erkunden wir die kristallklaren Kaskaden des Rio Valles und der Minas Viejas. An der Coasta Esmeralda am Golf von Mexiko verbringen wir einen Tag am Strand und Swimmingpool.







Für die restlichen 3 Tage zieht es uns dann nach Tlapacoyan zurück. Und die haben es in sich. Denn die knifflichsten Stellen haben wir uns für das finale grande aufgehoben:
Den Bukaki Rapid, eine Kombination aus einer Rutsche mit dicken Prallpolstern, einer rückläufigen Stufe und 7 Meter Fall im Ausgang.



Den San Pedro Wasserfall - eine 15 Meter Park and Huck Stufe am Rio Jalacingo.



Die Tomata Falls - einen 23 Meter Wasserfall mit Potential zum Postkartenmotiv.



Gestoked von diesen Highlights und begeistert von Mexiko als Paradies für Wildwasserfahrer machen wir uns wieder einmal ans Koffer packen. Während es für Pirmin zurück ins verschneite Deutschland geht haben Anne und ich noch 3 Monate Chile und Argentinien vor uns. Und so stopfen wir unsere Boote und Taschen in den Mietwagen und starten die Rückfahrt nach Mexico City. 5 Stunden auf rumpeligen Straßen mit Schlaglöchern liegen nun noch vor uns. Pirmin grinst und zuckt mit den Achseln. Lächerlich, bedenkt man doch, welche Erlebnisse dafür hinter uns liegen.

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