Patagonien - eine der letzten ursprünglichen und wilden Gegenden der Welt. Ganz im Süden Chiles und Argentiniens tronen die zerklüftete Bergzüge der Anden im Westen über der ausgedorrten und einsamen Steppe Argentiniens und bilden so ein Bollwerk gegen den peitschenden Wind und die dunklen Regenwolken des Pazifik. Diese atemberaubende Landschaft zieht seit Jahrzehnten vor allem Extremkletterer und Trekkingspezialisten in ihren Bann. Deren beliebteste Pilgerstätten sind die Nationalparks Torres del Paine und Los Glaciares um den Mount Fitzroy sowie die Häuseransammlung Villa O'Higgins am südlichsten Ende der Carretera Austral.
Kajakfahrer allerdings hatten, wohl auf Grund der Abgelegenheit vom bereits erschlossenen Paddelparadies um Pucón weiter im Norden, noch nie den Weg nach Süden gefunden, wenngleich ein Blick auf Google Earth doch große Hoffnung auf enormes Wildwasserpotential weckt.
Das nehmen Mariann Saether, Jakub Sevidy und ich zum Anlass, eine Erkundungstour durch den noch wilden Süden Patagoniens zu unternehmen.
Nachdem ich den Dezember im Kajak Hotspot Pucon verbracht habe mache ich mich per Flugzeug von Puerto Montt auf nach Punta Arenas an der Magellanstraße, ganz an die südlichste Spitze des amerikanischen Festlandes. Klar, dass wir dort den örtlichen Pinguinkollonien einen Besuch abstatten. Unser Ziel für die weiteren Wochen ist es nun, Patagonien nach Norden hin aufzurollen und mit dem Kajak weitgehen zu erschließen.
Beinahe 2000m ragen die Granitpfeiler des Torres del Paine Massivs majestätisch über die Patagonische Steppe. Mit mehr als 200.000 Besuchern jährlich zählt der Nationalpark zu den populärsten in ganz Südamerika. Neben den Multiday Trekkingtouren um die Torres stellen auch zahlreiche Wasserfälle auf den Flüssen des Parks hoch frequentierte Touristenattraktionen dar, die wir mit den Booten genauer unter die Lupe nehmen.
Besonderes Highlight: der Salto Grand am Río Paine, eine mächtige 10m Stufe mit explodierenden Wassermassen und Monsterrücklauf auf der rechten Seite. Doch über eine Querwalze in der Einfahrt hinweg und mit sauberem Boof nach links erscheint der Fall tatsächlich machbar.
Um Schwierigkeiten mit Rangern aus dem Weg zu gehen starte ich in der Morgendämmerung des nächsten Tages zu einer ausgibigen Besichtigung. Nach langem hin und her entschließe mich letztendlich für einen Versuch und hole Mariann und Jakub als Safety- und Fotocrew aus dem Zelt. Die heftigen Windböen zerren hart am Paddel, als ich im letzten Kehrwasser vor der Abbruchkante sitze. Ich warte eine kurze Windpause ab, nehme Anlauf und boofe was das Boot hergibt. Geschafft! Jakub, der im Kehrwasser mit dem Wurfsack wartet grinst. Gemeinsam paddeln wir über den wuchtigen Ausgangsrapid dem Auto entgegen.
Nachdem Jakub und Mariann die Befahrung am nächsten Morgen ebenfalls gelingt machen wir uns auf den Weg aus dem Park hinaus, um etwas weiter im Norden nach paddelbaren Flüssen zu suchen. Doch am Ausgang des Parks in Cerro Castillo, das sich unmittelbar an der Grenze zu Argentinien befindet, kommt die große Überraschung. Auf Grund einer angekündigten Reduzierung der Gaspreis Subventionen in der Region Magellanes durch die Chilenische Regierung hat sich die erboste Bevölkerung spontan zu einem kollektiven Streik mit Straßenblockaden entschlossen. Wichtige Verbindungsstraßen sowie die Nationalparks und Grenzübergänge sind mit Bussen und Bergen von Autoreifen auf unbestimmte Zeit abgeriegelt.
An eine Weiterreise ist erstmal nicht zu denken. Wir stecken fast ohne Essen und mit einem kläglichen Rest Benzin nur wenige Kilometer von Argentinien entfernt im Nationalpark fest. Allerdings gibt es in der örtlichen Bibliothek von Cerro Castillo öffentliches Internet. Unsere Idee: per Google Earth einen Schleichweg um die Straßensperren zu finden. Tatsächlich scheint es einen winzigen Feldweg um die Grenzstraße herum zu geben. Wir lassen unsere Reispässe ausstempeln und wagen einen Versuch. Es klappt! Kurz hinter der Blockade führt uns die Umgehung auf die Hauptstraße zurück. Wir geben Gas und atmen erleichtert durch, als wir in Argentinien über die Grenze rollen.
Das Auto wieder vollgetankt geht es weiter nach Norden. Wir statten dem spektakulären Perito Moreno Gletscher einen Besuch ab und begeben uns dann nach El Chaltén in den Nationalpark Los Glaciares. Trotz des gemischten Wetters können wir auf unserer Suche nach Wildwasser auch den ein oder anderen Blick auf Cerro Torre und das Fitzroy Massiv werfen.
Leider wird aber unserem Paddelergeiz schnell ein Strich durch die Rechnung gemacht. Nach 3-stündigem Materialschleppen zum Einstieg des Río Blanco treffen wir auf einen Ranger, der uns über das Verbot jeglichen Befahrens der Flüsse im Park unterrichtet. Nur mit großer Überwindung schultern wir also die Boote um sie wieder zurück ins Tal zu tragen.
Doch unser Entdeckergeist wird dadurch nicht erschüttert. Auf der staubigen und rumpeligen Routa 40 fahren wir über 600 Kilometer entlang der Argentinischen Steppe schnurstracks nach Norden, um in Chile Chico weiter unser Glück zu versuchen. Mit Kletterausrüstung ausgestattet erkunden wir die Schlucht des Río Aviles und paddeln den traumhaft schönen Río Jeinimeini.
Am Río Baker treffen wir auf die Gruppe um Ron, Severin, Maxi, Anne und Förster. Gemeinsam tun wir uns zusammen für die anstrengende Fahrt bis ganz ans Ende der Carretera Austral nach Villa O'Higgins.
Wegen ihrer abgelegenen und isolierten Lage ist die Ortschaft eher den Backpackern auf ihrer Durchreise zum Fitzroy ein Begriff. Doch dies könnte sich bald ändern. Auf unserer Suche nach lohnenswertem Wildwasser sind wir hier auf wahre Schätze gestoßen. Nach langwierigen Internet- und Kartenrecherchen sowie Wanderungen entlang kilometerlanger Schluchten, die über und über mit klettenartigem Dornengestrüpp überwuchert sind, gelingen uns Erstbefahrungen auf Río Perez und Río Mayer.
Anschließend trennen sich unsere Wege wieder. Während Mariann, Severin und Ron noch weitere Flüsse der Region in Augenschein nehmen wollen drängt bei uns Übrigen das nähere Rückflugdatum zur Rückkehr in den Norden Patagoniens. Diese langwierige Fahrt auf rumpeligen Schotterpisten unterbrechen wir mit einigen Befahrungen, die wir teilweise schon bei der Herfahrt ausführlich gescoutet hatten.
Zu den Highlights darunter zählt sicherlich der Río Bravo. Dessen Crux und Surprise Canyon stellen traumhaftes Wuchtwasser in einer atemberaubenden Schlucht unweit der Carretera Austral dar. Während Jakub und ich bei einer Befahrung des Surprise Canyons auf dem ruhigen Wasser am Schluchtausgang dahintreiben nähern sich plötzlich mehrere Kondore um eine Viertelstunde lang nur wenige Meter über unseren Köpfen zu kreisen. Wir sind beeindruckt von der Größe und Eleganz der Vögel.
Neben dem Río Jaramillo gelingt Jakub und mir auch die Erstbefahrung des Chacabuco Durchbruchs bis in den Río Baker. Das Valle Chacabuco wird zur Zeit mit anderen Nationalparks verbunden und zum Parque National Patagonia umgewandelt. Diese Region wird auch als die Serengeti Chiles bezeichnet. Neben unzähligen Guanaco Herden, Straussen, Flamingos und Füchsen bekommen wir sogar Puma Spuren zu Gesicht.
Mit dem Río Chacabuco ist unser Durst nach neuen Erkundungen erst einmal gestillt. Auch das Rückflugdatum nach Deutschland kommt immer näher. Und so beschließen wir, zurück in nördlichere Gefilde zu fahren und vor allem die sich auf dem Weg befindlichen Klassiker mitzunehmen. Knapp 3 Wochen bleiben uns dafür noch Zeit...
Fotos: Jakub Sevidy, Severin Häberlin, Seppi Strohmeier
cooooool
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