Foto: Severin Häberlin
Rio Chocrane, Foto: Jakub Sevidy
Big Water Paddeln erfährt am Baker völlig neue Dimensionen. Wassermassen von etwa 1000m³/s pressen sich unterhalb von Puerto Bertrand nacheinander durch drei Schluchten, in denen diese Massen sich in gewaltig Wellenberge, Walzen und Strudel verwandeln. Schwimmen ist am Baker tabu und selbst im Boot sitzend kann man von so mancher Strömungsverwirbelung komplett unter Wasser gezogen und erst nach kreiselnder Karussellfahrt wieder ausgespuckt werden.
Salto de Nef, Foto: Maxi Siech
Wenngleich die Linien durch die einzelnen Stromschnellen klar ersichtlich sind, so spielt auch immer der Zufall eine Rolle, ob man sie denn wie geplant erwischt. Mal bricht sich eine Welle genau vor der Nase und versetzt einen um locker 10 Meter nach links oder rechts, mal lässt sie einen ungebremst passieren und man wird gar nicht richtig nass dabei.
Ron im Chaos der S-Turns, Foto: Severin Häberlin
Feierbier nach erfolgreicher Befahrung, Foto: Jakub Sevidy
Eng verbunden mit dem Baker ist auch die Staudammproblematik in Chile. Der mächtige Strom ist unter den finalen Kandidaten für eine umfangreiche Aufstauung, was aus vielerlei Gründen kritisch zu betrachten ist. Nicht nur würden riesige Flächen traumhaft schöner und ursprünglicher Flusslandschaft unter einem Stausee verschwinden, auch müssten gewaltige Schneisen für Hochspannungsleitungen vom tiefen Süden bis hoch nach Santiago in die Natur geschlagen werden. Denn große Mengen an Strom werden nur im industrialisierten Norden für dessen explorative Minenwirtschaft benötigt. Dem Süden entstünden daraus nur Nachteile. Mit dem Slogan „Patagonia sin represas !“ wehrt sich daher die Bevölkerung der Aysen Region gegen das Profitstreben großer Energiekonzerne.
"Patagonia ohne Staudämme", Foto: Severin Häberlin
Vom Baker aus geht es weiter zum großen Klassiker Chiles, dem Río Futaleufu. Anne und Maxi haben auf dem Weg dorthin einen Frontalcrash mit ihrem Mietwagen und müssen für die letzten Kilometer bei Jakub, Förster und mir mit ins Auto springen.
Ich selbst bleibe 5 Tage am Futa und genieße die Zeit an einem der schönsten Flüsse der Welt in vollen Zügen. Umgeben von tiefgrüner Vegetation strömt hier glasklares Wasser auf 46 Kilometern durch malerische Schluchten mit Namen wie Inferno Canyon, Terminator Section und Bridge to Bridge Playrun. Nach getaner Paddelei gibt es abends dann am Cara Del Indio Camp original Chilenisches Asado vom Schaf, bevor wir die sternklare Nacht im aufgeheizten Hot Tub über uns herein brechen lassen.
Im Inferno Canyon, Foto: Lukas Strobl
Mein Rückflugdatum rückt während dieser Zeit schnell näher und ich mache mich auf die Suche nach einer Mitfahrgelegenheit zurück nach Pucón. Schließlich erklären sich die zwei Strobl Brüder Lukas und Chris aus Österreich und die beiden Engländer Tim und Dave bereit, mich in ihren eh schon voll gestopften Miet-Pick-up namens Natasha aufzunehmen, um gemeinsam gen Pucón zu ziehen.
Natasha voll beladen, Foto: Lukas Strobl
Mit unseren 5 Kajaks und Paddeltaschen plus Reisegepäck ist der Wagen natürlich heillos überladen und auch der Sitzkomfort im Inneren hält sich in Grenzen. Doch die gemeinsamen Interessen schweissen zusammen und machen die letzte Woche meines Roadtrips zu einem der lustigsten Abschnitte meiner ganzen Reise.
Eng aber lustig - die Fahrt mit Natasha, Foto: Tim
Vom Futa aus geht es für uns erst einmal nach Argentinien zum Río Manso, einem absoluten Highlight. Mit dem Salto Los Alerces gibt der schon vom Einstieg an ordentlich Gas. In der abgelegenen Schlucht hält der Manso dann das Tempo lange aufrecht und reiht einen Genusshüpfer an den nächsten. Konditionell anspruchsvoll wird es dann im Schlussteil, wenn zum Ausstieg am Lago Steffen über eine Stunde lang gegen den Wind quer über den ganzen See gepaddelt werden muss.
Lukas inspiziert die Linie des Salto Los Alerces, Foto: Lukas
Freewheel am Rio Manso, Foto: Dave
Wieder zurück in Chile wartet der Río GolGol unmittelbar hinter der Grenze auf wasserfallhungrige Paddler. Auf einer Länge von nur 5 Kilometern präsentiert der GolGol ein wahres Feuerwerk an fahrbaren Stufen und Rutschen. Die nötige Entspannung für unsere Boof-geplagten Rücken gibt es dann abends in der Thermalquelle bei Puyehueco. Eine Reihe von Gumpen voller Schwefelwasser mit Temperaturen von lauwarm bis unerträglich heiß laden zum gemütlichen Baden ein. So lässte es sich aushalten :).
Die Thermalquelle von Puyehueco, Foto: Tim
Wunderschöner See bei Barriloche unweit der Chilenischen Grenze, Foto: Chris Strobl
Als abschließendes Highlight haben wir uns die 20m Park and Huck Stufe am Río Nilahue aufgehoben. Nach der ausführlichen Besichtigung und Diskussion der Linie entschließen sich neben mir auch Tim und die Strobl Brüder zu einer Befahrung. Dabei werden die Österreicher von der Stärke der Strömung in der Anfahrt überrascht und weit nach links gedrückt. Beide können aber der gefährlichen Unterspülung im Unterwasser entkommen. Und so wird Befahrung im Anschluss, wie es sich gehört, natürlich angemessen gefeiert, um das überschüssige Adrenalin wieder abzubauen.
Seppi im Landeanflug am Nilahue, Foto: Dave
Pucón ist nun nur noch eine Tagesreise entfernt. Nach einem Abstecher zum Fuy, einem der schönsten Flüsse der Region, rollen wir gut gelaunt und völlig euphorisch in der Outdoor Hauptstadt Chiles ein. Eine Unterkunft ist schnell gefunden, die hungrigen Mägen im Umdrehen gefüllt. Und schon kann es los gehen auf die Party, die traditionell in Mama's und Tapas ihren Ausgang nimmt und irgendwann frühmorgens in einer der Diskos am Ortsrand endet. Ein gebührender Abschluss meines langen Roadtrips quer durch den Süden Chiles.
Einer der schönsten Flüsse Chiles - der Rio Fuy, Foto: Lukas
Am nächsten Abend begleiten mich Tim und die Strobls schließlich zum Busterminal, von wo aus mich nur noch 10 Stunden Nachtfahrt vom Flughafen in Santiago trennen. Mit schwerem Herzen verstaue ich mein Gepäck und verabschiede mich von meinen neuen Freunden, von Pucón und vom Süden Chiles, wo ich in den letzten 3 Monaten die vielleicht schönsten und eindrucksvollsten Erlebnisse meiner Kajakkarriere hatte. Als der Bus sich in Bewegung setzt und vor meinem Auge die Erinnerungen wie in einem Film ablaufen wächst in mir der feste Entschluss, wieder zurück zu kommen. Doch am Ende meiner 5-monatigen Reise durch ganz Amerika spüre ich erstmals auch den Wunsch, wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen. Und so schlummere ich langsam ein, voller Vorfreude auf daheim.
Tolle Zeit mit tollen Leuten gehabe - wir kommen bestimmt wieder, Foto: Mariann Saether
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