Dienstag, 28. Dezember 2010

Merry Christmas

Robert und ich wünschen dem Team-Stohlquist (leicht verspätet) ein frohes Fest und einen guten Rutsch.

Montag, 27. Dezember 2010

Chile die erste: im Puta-Mobil nach Pucon

Autokauf in einem fremden Land? Klar, das ist nicht so einfach. Schließlich gibt es dort andere Regelungen und Vorschriften als daheim. Trotzdem wollten wir für die lange Zeit in Chile keinen Mietwagen zu horrenden Preisen sondern ein eigenes Fahrzeug erwerben und dieses nach den 3 Monaten wieder höchstbietend verkaufen.

Wirklich dankbar waren daher Anne und ich, dass Maxi Siech, unser neues Teammitglied für Chile, schon 5 Tage vor unserer Abreise aus Mexiko nach Santiago geflogen kam, um sich mit seinem chilenischen Kumpel Luis nach Gebrauchtwägen umzusehen. Die Entscheidung fiel zugunsten eines höhergelegten Nissan Pick-Up Trucks in Feuerwehr-rot aus - Baujahr 1988, was wir später noch bereuen sollten. Als Anne und ich in Santiago eintrafen, musste also nur noch gezahlt werden. In bar natürlich - mit dicken Bündeln chilenischer Pesos.

Als glückliche Fahrzeugbesitzer die wir nun waren machten wir uns natürlich sofort auf zu einer Testfahrt, warfen Kajaks und Gepäck auf die Ladefläche und tuckerten los zum Río Maipo und Yeso im Südosten Santiagos. Aber die Spritztour war ernüchternd, zeigten sich doch schon bald die ersten Probleme unseres Gefährts. Vor allem der Motor war bei steileren Anstiegen etwas zu schwach für das schwere Gewicht des Autos und unseres Gepäcks. Außerdem überhitzte das Motoöl wegen unzureichender Luftzufuhr schon nach 5 minütiger Bergfahrt. Also nichts wie zurück nach Santiago, wo das Auto von Migue, einem befreundeten Mechaniker, erstmal rundum gepimpt wurde: Ölwechsel, Zündkerzen, Luftfilter, Platine, Fernlicht, Servolenkung und mehr Luft für Motorraum und Kühlwasser. Solz auf unser upgrade tauften wir das Auto „Puta-Mobil“, ein Name, der sich schon bald bewahrheiten sollte.

Als viertes und letztes Teammitglied für die nächsten Wochen in Chile traf gegen Mitternacht Alex Rodegro am Flughafen ein. Dieser hatte die volle Ladung Pech bereits mitgebracht: Schneechaos beim Abflug in Düsseldorf, Fluglotsenstreik in Madrid und abhanden gekommenes Gepäck in Santiago. In der Hoffnung, dass die Fluggesellschaft dieses umgehend nachsenden würde, machten wir uns trotzdem auf den Weg nach Süden. Nächster Halt: Rio Claro.

In einer unheimlich engen und steilen Klamm bahnt sich der Claro seinen Weg durch schwarzes Vulkangestein und ergießt sich über unzählige Rutschen und Wasserfälle, die sich auf die Abschnitte „Veintidos Saltos“, „Entre Saltos“ und „Siete Tazas“ verteilen. Ein ganzes Jahr lang aufgrund eines Erdbeebens trocken gelegt, führte der Río Claro seit kurzem wieder Wasser und bescherte uns ein Paddelhighlight der Extraklasse. Das Sahnehäubchen dabei war der Korkenzieher ín Entre Saltos, wo das Wasser in einer rasanten Bobbahn erst um eine 180° Kurve schießt und dann in einen 8 Meter Fall mündet. Der Clou: man kann nicht sehen, was nach der Kuve kommt, nicht umtragen oder sichern. Wer sich einmal hinein gewagt hat, für den gibt es nur noch die blinde Flucht nach vorne.

Während der Claro unsere Paddlerherzen höher schlagen ließ, so ließ er das Herz unseres Autos niedriger schlagen. Genauer gesagt: durch die rumpelige Fahrt über steinige Dirtroads löste sich die Schraube der Motoraufhängung unseres Gefährts und der Motor rutschte ab bis auf die Vorderachse. Dummerweise war gerade chilenischer Feiertag. Wir verbrachten also ganze zwei Tage mit warten. Auf den Abschleppwagen, auf den Mechaniker und auf Ali's Gepäck, das die Fluggesellschaft nach mehrmaliger vehementer Aufforderung erst jetzt schicken ließ. Müde von der Warterei dösten Anne und Maxi stundenlang regungslos im Liegestuhl am Straßenrand und erwachten schließlich wie zwei knallrote Tomaten :).

Gutgelaunt da jetzt alles wieder im Lot schien machten wir uns auf zum Río Maule. Trotz Starkregen tags zuvor herrschte allerdings Niedrigwasser und mit Paddeln wurd es erstmal nichts. Dafür begann der Wagen urplötzlich, auf der Autobahn zu streiken. Mit Müh und Not schafften wir es zur Ausfahrt um wieder einmal stundenlang auf den Mechaniker zu warten. Der entdeckte erst abends, dass die Benzinzufuhr zum Motor verunreinigt war, blies sie frei und wünschte uns eine gute Fahrt. Doch diese währte nicht lange. Nach weniger als 100km begann der Wagen erneut zu stottern. Wir parkten auf dem Seitenstreifen und riefen den nächsten Abschleppwagen. Langsam machte das Auto keinen Spaß mehr.

Erst nach Mitternacht kamen wir zu unserem nächsten Mechaniker in Parral. Mit seinem Mini Daihatsu, in dem seine korpulente Figur selbst kaum Platz fand, schleppte er unseren riesen Pick-Up zu seiner Werkstatt. Nach der kurzen Nacht, die wir in seinem Vorgarten verbrachten, stand wieder eine rundum Reparatur an: Benzinzufuhr reinigen, Benzinfilter austauschen, Auspuff festschrauben, dazu wieder mal an Servolenkung und Platine herumdoktern. Wir hatten unser Auto satt, verzichteten auf die restlichen Flüssen die den Weg nach Süden säumten und machten uns schnurstracks auf nach Pucón.

So mühsam die Fahrt nach Pucón auch war, schon bei unserer Ankunft wurde klar, dass sie sich vielfacht gelohnt hat. Man stelle sich einen unheimlich schönen Ort vor, überall saftig grüne Wiesen und Wälder, rauschende Flüsse voll mit Wildwasser, umgeben von schneebedeckten Vulkanen und tiefblauen Seen. Dazu warmes Wetter, fast jeden Tag Sonne pur. Inmitten des ganzen ein kleines Städtchen. Gerde groß genug für Outdoor Laden, Internet Cafe, Baumarkt und einen Haufen Restaurants und Bars. Aber so klein, dass man zu Fuß in wenigen Minuten von einem Ortsrand zum anderen marschieren kann. Und überall Kajakfahrer – alte und neue Freunde. Der Grund: es gibt in der näheren Umgebung dermaßen viel gutes Wildwasser, dass man in den 2-3 Wochen, in denen hier gute Wasserstände herrschen, gar nicht alles abpaddeln kann, was Pucón an Potential bietet.

Untergekommen sind wir in einem 75 Hektar Anwesen etwa 20 Minuten ausserhalb von Pucón unweit des Río Trancura. Maxi hatte die letzten Jahre im Crazy Eddy und der Area 47 als Raftguide gearbeitet. Dessen Mitinhaber und Manager Hansi Neuner hatte ihm erlaubt, während unserer Zeit in Pucón in seinem Haus zu bleiben. Um dorthin zu kommen mussten wir erst eine steile Dirtroad bergauf durch sein Grundstück fahren, vorbei an Pferden, einer kleinen Kuhherde und durch dichten Wald bis wir oben zu einer weiten Almwiese gelangten, die genau gegenüber des Lago Villarica und Volcán Villarica liegt.

In Chile gibt es 2000 Vulkane, viele zum Teil noch aktiv. Der Villarica ist 2800m hoch und in den 70er Jahren das letzte Mal ausgebrochen. Aber unter tags raucht er ein bisschen und des nachts sieht man ein leichtes Glühen an seiner Spitze.

Die folgenden zwei Wochen verbrachten wir also in Pucón, jeden Tag unterwegs auf neuen Flüssen und Abschnitten. Vor allem die Wasserfallruns des Río Palguin, Llancahue, Nevado und Coilaco zählen hier zum schönsten Wildwasser weit und breit.

Den wohl größten Höhepunkt unseres Aufenthalts stellte aber die Befahrung des 23 Meter Drops am Mittleren Palguin dar. Nach dem Felsenstart in einen pilzigen Tumpf geht es hier unmittelbar über die schräge Abbruchkante und hinab in einen großen Pool. Sowohl Alex, Maxi und ich entschieden uns, das Paddel vor dem Aufprall zu werfen um ja kein gebrochenes Material zu riskieren.

Gebrochenes Material gab es dafür wieder beim Auto. Die Wasserpumpe war völlig am Ende und musste ausgetauscht werden. Außerdem fielen uns neue Schleifgeräusche im Bereich des Getriebes auf. Wir zögerten nicht lang und machten uns auf die Suche nach einem Mietwagen. Der Frust mit dem Pick-Up war nun so groß, dass wir selbst vor den teuren Tarifen der chilenischen Autoverleiher nicht mehr zurück schreckten. Vor der Abreise aus Pucón wollten wir aber auch unser Gefährt verhökern. Doch noch bevor ein Käufer gefunden werden konnte machte die Lenkung schlapp und das Puta-Mobil musste ein weiteres Mal auf unsere Kosten zum Mechaniker. Wir waren hemmungslos am fluchen. Puta madre!

Als der Autodeal endlich unter Dach und Fach war und der Dezember sich dem Ende zu neigte musste auch Alex wieder zurück zu Arbeit und Freundin. Anne, Maxi und ich verabschiedeten uns herzlich von ihm, bevor er in den Nachtbus gen Norden nach Santiago stieg.

Doch auch für uns drei ist es nun Zeit aufzubrechen. Die Wasserstände um Pucón sind gesunken und weitere Flüsse im Süden Chiles und Argentiniens warten auf uns. Zwei Monate bleiben uns noch. Patagonien, wir kommen!

Bericht: Seppi Strohmeier
Bilder: Seppi Strohmeier, Maxi Siech

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Viva Mexico!

Es ist bereits seit 2 Stunden dunkel als endlich das erste Schild nach Tlapacoyan am Straßenrand auftaucht. Und schon wieder wird unser Auto von einer mächtigen Bodenwelle durchgeschüttelt, die erst im letzten Moment im Lichtkegel auftaucht. Pirmin flucht lauthalt und bastelt den herausgefallenen Regler für die Innenbelüftung wieder in die marode Halterung zurück. Beim Blick aus dem Fenster flitzen dutzende Straßenstände voller Nahrungsmittel an uns vorbei. Wir erspähen Berge von Bananen und Mandarinen, am Feuer gegrillte Hähnchen und natürlich Tacos, Tortillas und Enchiladas. Dann endlich, nach 5 langen Stunden auf schlechten Straßen voll mit Schlaglöchern, kommen wir am nächsten Ziel unserer Reise an: dem Aventurec Camp im Westen von Mexiko.



Vor allem in der US amerikanischen Paddelszene häufen sich seit einigen Jahren Bilder und Berichte von traumhaften Flüssen in Mexiko. Besonders in den Monaten Oktober bis Dezember versprechen die ablaufenden Wasserstände der Regenzeit des Sommers perfekte Bedingungen für Wildwasserunternehmungen in allen Schwierigkeitsgraden und so fällt die Wahl unserer nächsten Reiseetappe nicht schwer. Zusammen mit Mike Dawson und Mariann Seather fliegen Anne und ich direkt nach dem Green Race von Charlotte nach Mexico City, wo wir auf Mikes Bruder James, den Norweger Benji Hort und Pirmin, einen jungen Paddler vom Schliersee, treffen. Zu siebt machen wir uns auf zum Rio Alseseca im Staate Veracruz, auf der Suche nach dem schönsten Wildwasser der Region.






Obgleich die klassische "Roadside Section" des Alseseca schon seit fast 20 Jahren bekannt und bepaddelt ist, so wurden die schwerer zugänglichen und steileren Abschnitte erst in der jüngsten Vergangenheit entdeckt. Besonders Lokalmatador Rafa Ortiz und Freunde haben ganze Arbeit geleistet um dem Alseseca die letzten Geheimnisse zu entlocken (zu sehen auf dem Video Hotel Charly II). Die Früchte dieser Erkundungsexpedition sind weltklasse Wildwasserabschnitte mit Namen wi Big Banana, Truchas oder 7 Sisters. Doch ganz gleich auf welchen Teil des des Alseseca man sich wagt, alle haben sie doch eines gemeinsam: Wasserfälle, Rutschen und Stufen noch und nöcher. Teils klein, teils groß, meist völlig sauber und immer mit großem Pool im Anschluß - das lässt Paddlerherzen höher schlagen.








Dazu kommt, dass sich der Alseseca vornehmlich tief in einer malerischen Schlucht vergraben und von dichtem Regenwald umgeben seinen Weg sucht. Tropische Vögel kreisen hier über unseren Köpfen, Lianen hängen bis in Wasser herab und Zuckerrohrplantagen, Cypressen, Bananen- oder Mandarinenbäume säumen das Ufer am Ausstieg.






Ausserdem hat der Fluss Badewassertemperatur und die lange Kleidung dient eigentlich nur dem Schutz vor Juckreiz verursachenden Pflanzen beim Besichtigen oder Umtragen im Dickicht. Einzig die schlechte Wasserqualität trübt den Spaß ein wenig und so wartet nach jeder Kajakfahrt die obligatorische Flasche Tequila zur Magendesinfektion am Austieg.
In den ersten 10 Tagen paddeln wir nicht nur auf dem Alseseca, sondern wir erkunden auch einen Nebenbach namens Filo Bobos. Auf dessen unteren Teil befinden sich zwei antique Ruinenstädte der Maya unmittelbar am Ufer, die in den 80er Jahren von einer Gruppe amerikanischer Rafter entdeckt wurden.



Jeden Abend ziehen uns die knurrenden Mägen zurück nach Tlapacoyan, wo wir ein kleines Straßenrestaurant nach dem anderen ausprobieren, immer auf der Suche nach den besten Tacos der Stadt. Genächtigt wird im Aventurec am Ortsrand, einem paddlerfreundlichen Campingplatz, Restaurant und Raftunternehmen in einem.





Unsere täglichen Kajakausflüge haben es zum Teil durchaus in sich. Der Alseseca fordert von uns zahlreiche gebrochene Paddel, mehrere harmlose Schwimmer sowie eine gebrochene Nase. Auf dem Weg zum Fluss bekommen wir es mit der launischen mexikanischen Polizei zu tun und unser Mietwagen beugt sich schließlich den Strapazen und muss durch ein neueres Modell ersetzt werden.



Nach anderthalb Wochen Sonnenschein setzt plötzlich wolkenbruchartiges Regenwetter ein. Wir beschließen, den Hochwasser führenden Alseseca vorrübergehend hinter uns zu lassen um noch andere Gegenden in Mexiko kennen zu lernen. In der Region San Luis Potosí im Norden erkunden wir die kristallklaren Kaskaden des Rio Valles und der Minas Viejas. An der Coasta Esmeralda am Golf von Mexiko verbringen wir einen Tag am Strand und Swimmingpool.







Für die restlichen 3 Tage zieht es uns dann nach Tlapacoyan zurück. Und die haben es in sich. Denn die knifflichsten Stellen haben wir uns für das finale grande aufgehoben:
Den Bukaki Rapid, eine Kombination aus einer Rutsche mit dicken Prallpolstern, einer rückläufigen Stufe und 7 Meter Fall im Ausgang.



Den San Pedro Wasserfall - eine 15 Meter Park and Huck Stufe am Rio Jalacingo.



Die Tomata Falls - einen 23 Meter Wasserfall mit Potential zum Postkartenmotiv.



Gestoked von diesen Highlights und begeistert von Mexiko als Paradies für Wildwasserfahrer machen wir uns wieder einmal ans Koffer packen. Während es für Pirmin zurück ins verschneite Deutschland geht haben Anne und ich noch 3 Monate Chile und Argentinien vor uns. Und so stopfen wir unsere Boote und Taschen in den Mietwagen und starten die Rückfahrt nach Mexico City. 5 Stunden auf rumpeligen Straßen mit Schlaglöchern liegen nun noch vor uns. Pirmin grinst und zuckt mit den Achseln. Lächerlich, bedenkt man doch, welche Erlebnisse dafür hinter uns liegen.

Montag, 22. November 2010

Osttirol Adventures: die Iselschlucht

Zwischen Umzugs-, Uniabschluss-, Reise- und diversen anderen Stressen kam es bei mir in der letzten Zeit zu einer eineinhalbjährigen Osttirolpause. Eigentlich eine Schande, verbrachte ich zuvor doch fast sieben Sommer in diesem erstklassigen Wildwasserrevier rund um Lienz.

So kam es mir sehr gelegen, als ich Reiner Glanz am Dienstagnachmittag durchs Handy fragen hörte: »Was machst Du am Donnerstag? Iselschlucht?«. Schwer abzulehnen, stand der eher selten befahrene Abschnitt unterhalb der klassischen Hinteren Isel (Hinterbichl bis Bobojach, WW 3-4+) doch schon länger auf meiner Wunschliste. Spätestens seit Hannes Brandstätter die Iselschlucht zu seinem Osttiroler Favoriten gekürt hatte.

Der Großvenediger wacht überm Einstieg

Die große Rutsche vom Schluchtrand aus gesehen

David Krismayr und Robert Machacek erwarteten uns bereits hochmotiviert am Ausstieg und berichteten uns von eisigen Temperaturen am Einstieg. Tatsächlich, Raureif und Schnee empfangen uns in Bobojach an der Brücke. Also schnell Boote abladen und lieber auf der sonnigen Virgener Schotterstraße umziehen! Beim rechtsufrigen Hochfahren ließen sich die meisten Schwierigkeiten mit ein wenig Gekletter problemlos scouten. Lediglich von der vorletzten und gleichzeitig spektakulärsten Stelle sollte man sich nicht wie wir täuschen lassen.

oben: Blue Angel in der Eingangsstufe zur Niedrigklamm

unten: Dave in selbiger


Robert beim Abseilen neben der potenziellen 6er Stelle

Die Strecke präsentierte sich dann als ebenso kurz, wie lohnend und spannend. Nach nur kurzer Zeit zum Einfahren folgte der Auftakt, eine etwa eineinhalb Meter hohe Stufe mit tricky Einfahrt, und boofen möchte man am liebsten schon. Danach schneidet sich die Isel ihren Weg durch eine Niederklamm mit etlichen technischen und schnellen Stellen im vierten und fünften Grad. Bald hieß es dann aufgepasst – ein komplett verklauster Wasserfall zwang uns aus den Booten und zum rechtsufrigen Umseilen. Zum Glück hatten wir alle Sitzgurte und volle Alpinausrüstung dabei, was uns die Sache mit Ausnahme des eher fragwürdigen ersten Sicherungsplatzes recht stressfrei erledigen ließ. Gleich darauf folgte der nächste Umseiler einer eher kurz gehaltenen Diskussion – der Landweg wurde einhellig bevorzugt. Also – noch wartet eine recht unsaubere Doppelstufe mit einem wohl sieben Meter hohen Ausgangswasserfall (mit recht harter Landung) auf ihren Erstbefahrer!



Robert, Daniel & Dave in der großen Rutsche

Zwei flotte Passagen weiter folgte das große Finale – eine holprige Einfahrt und dann eine Rutsche mit ungefähr zehn Metern Gefälle, gute vier Meter davon im Freiflug! Doch Achtung – was aus 100 Höhenmetern scoutbar aussah, stellte sich auf Wasserhöhe als absolute Zwangspassage ohne Besichtigungsmöglichkeit heraus. Ein paar Blicke auf das beim Scouten geschossene Telefoto später, fasste sich Reiner ein Herz und fuhr als erster ein - und ließ uns beinahe erstarren. Die rumplige Einfahrt schickte ihn nach fast erfolgreichem Kampf doch glatt kieloben runter! Bange Sekunden, dann Erleichterung bei uns oben – zwar baumelte die Helmkamera nur mehr an der Reepschnur, aber das ist jetzt nebensächlich. Hauptsache Reiners rechte Hand ist am Helm. Mit mulmigem Gefühl fuhren wir der Reihe nach in die Stelle ein – zum Glück ohne Zwischenfälle, dafür mit breitem Grinsen nach dem Einschlag. Kleiner Tipp: ganz rechts einfahren, an der Abrisskante mittig links und dann entweder ganz (!) nach links, oder – besser und einfacher – nach rechts raus.

endlich etwas Sonne in der sonst eher dunklen,

herbstlichen Schlucht.

Wäre die nächste und letzte Stelle vernünftig umhebbar, würde man außer Rückenschmerzen wohl nicht viel versäumen. Doch so blieb uns nichts anderes übrig, als bootsverachtend die insgesamt ungefähr vier Meter hohe, seichte Doppelstufe runterzubomben – recht so!

Home, Sweet Home - Herbstzeit - Kayaking the Isel gorge/Osttirol from Reiner Glanz on Vimeo.

Am Ausstieg angekommen, ging es nach Genießen der letzten Sonnenstrahlen für Robert und Dave jobbedingt wieder nach Salzburg. Reiner und ich beschlossen, noch einen Tag länger zu bleiben, um am nächsten Tag die super Strecke nochmal zu paddeln. Ein schneller Run zu zweit ohne große Zwischenfälle und einer angenehmen Ladung Adrenalin. Gut, zugegebenermaßen nicht ganz ohne Zwischenfälle: Bleibt man bei der Abschlussrutsche zentral, wartet ein recht fetter, angewinkelter Kicker auf den Befahrer – ganz rumgekriegt hab ich den unfreiwilligen Kickflip nicht. Also, aufgepasst!

Streckeninfo:

Länge: ca. 3 Kilometer (Bobojach bis Brücke in Virgen, ca. 1 Kilometer oberhalb des Einstiegs zur Virgenschlucht)
Beste Befahrungszeit: Spätsommer und Herbst
Pegel: bei uns 75cm am Pegel Hinterbichl (gut für den ersten Versuch)
Schwierigkeiten: WW (4)-5, zweimal X (einmal davon WW 6?), mindestens einmal umseilen

Text: Daniel Herzig

Fotos: Daniel Herzig, Robert Machacek, Dave Krismayr





Montag, 8. November 2010

Green Race 2010

Das Green Race 2010 ist zu Ende und damit eine besonders ereignisreiche Etappe unserer Reise mit Hoehen und Tiefen, aber vor allem einer Menge Paddelei sowie dem kultigsten Wildwasserrennen der Welt als kroenenden Abschluss. Aber langsam der Reihe nach…

Seit 1996 findet jaehrlich immer am ersten Samstag im November das Green Race in den Green River Narrows suedlich von Asheville statt. Dabei handelt es sich um das vielleicht bekannteste und am meisten respektierteste Wildwasserrennen der Kajakwelt. Einzigartig am Green ist zunaechst einmal die Wettkampfstrecke. Auf gut einer halben Meile komprimiert reihen sich in der engen Schlucht etwa 15 beruechtigte Rapids bis zum V. Schwierigkeitsgrad mit markanten Namen wie “Boof or Consequence”, “Go Left and Die” oder “Gorilla” aneinander.

Adrienne, Marianne und ich unterhalb Gorilla, Foto: Mike Dawson
Auf Grund der grossen Popularitaet weit ueber die Grenzen der Paddlerszene hinaus finden sich am Tag des Rennens gleich hunderte Schaulustige an den spektakulaersten Stellen der Strecke ein und so sorgt auch die gewaltige Atmosphaere der Zuschauer fuer das besondere Flair des Green Race.

Green Race als beliebtes Zuschauerspektakel

Dennoch ist das Rennen seiner Tradition treu geblieben und nicht zum kommerziellen Grossevent anvanciert. Ohne glamouroese Sponsoren, Preisgelder oder Startgebuehren lebt es gaenzlich vom Spirit gleichgesinnter Paddler, die gemeinsam eine einzigartige Zusammenkunft auf dem Fluss und der Party danach zelebrieren.

Blick ins Tal des Green River

Gut eine Woche vor besagtem Rennsamstag zieht der Ruf des Green Race Anne und mich nach Flat Rock zu Shane Benedict. Seines Zeichens Paddlerlegende, Mitgruender von Liquid Logic Kayaks sowie Green Urgestein kommen wir zusammen mit 10 weiteren Kajakfahrern aus aller Welt in seinem Haus in der Naehe des Einstiegs zu den Green Narrows unter.

Team Shanes Haus Clay, Marianne, Nick, Dane, Adrienne, Keagan, Anne, Katerina, Kyle, Mike und ich

Die geringe Entfernung sowie die Tatsache, dass ausser dem dammregulierten Green gerade eh nichts anderes laeuft, laesst uns jeden Tag aufs neue auf die Rennstrecke gehen um nach der schnellsten Linie zu suchen und diese einzutrainieren. Traumhafte Wetterbedingungen, die gute Stimmung in der kunterbunten Shane WG und immer geschmeidigere Befahrungen des Green sorgen fuer Vorfreude auf das Rennen.

Doch dann passiert es: Anne hat bei ihrem ersten Versuch der schnelleren aber kniffligeren Rennlinie in “Go Left” einen harten Schwimmer, der sich bei uns allen tief einpraegt. Von diesem Zeitpunkt an schraubt sie die Prioritaet des Rennens zurueck und entscheidet sich letztendlich sogar gegen eine Teilnahme.

Fuer den Rest der Crew geht das Training aber stetig weiter. Einen guten Eindruck von der Stimmung im “Team Shane” gibts hier: http://www.kayaksession.com/green-river-race-1.php

Tips und Tricks fuer die schnellsten Linien in den markantesten Rapids gibts hier:



Zwei Tag vor dem grossen Showdown findet sich die Paddelgemeinde zu einer Video Premiere von LVM (Launch Video Magazine) ein. Bei Pizza, Bier und Pop Corn gibt es den neuesten Klatsch und Tratsch der Szene sowie sehenswerte Filmausschnitte in Kinoatmosphaere. Hier gibts Eindruecke zur Stimmung auf der Premiere: http://www.kayaksession.com/green-river-race-4.php

Dazu das lustige “Green River Narrows Kayak Extreme Race“ Intro von LVM:

http://www.xtranormal.com/watch/7511043/


Schliesslich ist es endlich soweit. Am Samstag den 6. November treffen sich 140 Starter zum Briefing am Einstieg zur Schlucht. Punkt 12 Uhr Mittags faellt dann der Startschuss erst fuer Teilnehmer in der Longboat, anschliessend fuer die in der Shortboat Klasse.

Zusammenkunft vor dem Rennen

Wave Sport Element, ein typisches Longboat

Waehrend mit “Shortboat” gewoehnliche Creekboote gemeint sind, bezieht sich “Longboat” auf Plastikkajaks mit bis zu 4 Metern Laenge, die speziell fuer hohe Geschwindigkeit im schweren Wildwasser ausgelegt sind. Populaere Vertreter sind etwa der Wave Sport Momentum, Dagger Green, Liquid Logic Stinger oder Prijon Tornado. Da ich selbst nur mit meinem Diesel und damit einem Shortboat angereist bin stehe ich ganz hinten in der Startreihenfolge. So kann ich mir erst einmal den Rennverlauf ansehen, bevor es dann fuer mich ernst wird.

Handpaddler in der Anfahrt zu Gorilla

Besonders in den klassischen Kriterien wie Go Left und Gorilla gibt es dabei allerhand spektakulaere Szenen zu beobachten. Gebrochene Paddel, mehrere Schwimmer und eine aufgeschlagene Augenbraue sind zu beklagen.

Longboater in Scream Machine

Ungeachtet dessen kann ich mich gut auf meinen Lauf konzentrieren und meine Linie bis auf einen kleinen Patzer im Kehrwasser von “Speed Trap” umsetzen. Unmittelbar vor Gorilla komme ich sogar an den 1 Minute vor mir gestarteten Paddler heran. In der Anfahrt zum Wasserfall kentert er hinter der Eingangsstufe von “Flying Squirrel” und so kann ich problemlos an ihm vorbei ziehen und ungehindert in die “Notch” boofen.

Seppi beim Boof in Gorilla

Mit schweren Armen und rasender Atmung geht es ueber die letzten Rutschen hinab bis zum Zielfelsen hinter “Rapid Transit”. Die Zeitnahme stoppt bei 5:05. Geschafft!

Longboater beim Zielsprint hinter Rapid Transit

Das zweite Highlight des Tages ist schliesslich die grosse Party in Woodys Haus am Ausstieg der Schlucht. Hier werden auch die Ergebnisse des Tages verkuendet. Sieger in der Longboat Klasse wird souveraen der Slalomprofi Mike Dawson aus Neuseeland, bei den Damen Adrienne Levknecht, beide mit im Team in Shanes Haus. In der Shortboat Kategorie gewinnt Green Local Isaac Levinson. Ich selbst komme auf die gleiche Zeit wie drei andere Mitbewohner von unserer Shane WG und so teilen wir uns gemeinsam den 4. Platz. Hier der Link zu den gesamten Ergebnissen: http://www.boatingbeta.com/races

Die wilde Party bei Woody dauert noch bis spaet in die Nacht an. Fuer Anne und mich heisst es am naechsten Tag dann schon wieder Koffer packen. Denn mit dem Green Race endet auch unser US Trip. Weiter geht es nun mit Mexiko als zweite Etappe unserer grossen Reise. Und wir sind gespannt, was und dort erwarten wird…

Bildert: Mike Dawson, Seppi Strohmeier